Wie schaffe ich Akzeptanz für Roboter in meinem Unternehmen?

Führt ein Unternehmen Industrieroboter in die Fertigung ein, reagiert die Belegschaft darauf nicht selten erst einmal mit einer gesunden Portion Skepsis. Wie schaffen Sie in Ihrem Unternehmen Akzeptanz für die Automatisierung mit Robotern? Wir zeigen am Beispiel der beyerdynamic GmbH, wie das geht.

Wie schaffe ich Akzeptanz für Roboter?  | Universal Robots
Wie schaffe ich Akzeptanz für Roboter? | Universal Robots

Führt ein Unternehmen Industrieroboter in die Fertigung ein, reagiert die Belegschaft darauf nicht selten erst einmal mit einer gesunden Portion Skepsis: „Wollen die mich jetzt ersetzen? Werde ich wegrationalisiert?“ sind Fragen, die sich ein Werkarbeiter dann durchaus stellen kann. Diverse Studien belegen zwar, dass das Image vom Roboter als Jobkiller nicht der Realität entspricht. Zudem übernimmt der Roboter monotone Aufgaben und entlastet die Mitarbeiter.

Nichtsdestotrotz: Akzeptanz für Kollege Roboter zu schaffen, ist zunächst einmal eine kommunikative Herausforderung für Unternehmen.

Dieser Herausforderung war man sich bei der beyerdynamic GmbH bewusst: Als Manufaktur für hochwertige Audioprodukte sind die Werkarbeiter das mit Abstand wertvollste Kapital des schwäbischen Mittelständlers. Der Arbeitseinstieg zweier kollaborierender Roboterkollegen wurde daher nicht nur technisch, sondern auch kommunikativ präzise vorbereitet und durchgeführt – und das mit durchschlagendem Erfolg: Heute sieht man bei beyerdynamic nicht nur mehr Produktivität, sondern auch überzeugte Mitarbeiter, die Roboter wie selbstverständlich als ihre Kollegen akzeptieren.

Wie hat beyerdynamic Akzeptanz geschaffen?

Jörg Lang, Produktionstechniker und Roboter-Ingenieur von beyerdynamic, skizziert im Gespräch seine Strategie anhand von sieben zentralen Punkten:

Herr Lang, bei beyerdynamic übertragen Sie monotone Aufgaben in der Fertigung an Roboter. Warum eigentlich?

Jörg Lang: Wir setzen die Leichtbauroboter zum Beschichten von Kopfhörerlautsprechern ein. Die Tätigkeit wurde bei uns sehr lange per Hand durchgeführt. Für einen Menschen ist es aber sehr schwierig, über einen längeren Zeitraum hinweg gleichmäßig zu pinseln.

Das Ergebnis und die Qualitätssicherheit war damit immer sehr personenabhängig. Wir wollten das ändern und den Prozess nachvollziehbar, stabil und wiederholbar machen. Und in kollaborierenden Robotern haben wir die passende Technologie zur Umsetzung gefunden.

Die Mitarbeiter bei beyerdynamic arbeiten gerne mit unseren Cobots zusammen.  

Und wie haben die Mitarbeiter die Nachricht aufgenommen, dass ihre Arbeit automatisiert werden soll?

Jörg Lang: Die Roboter stellen für unser Personal eine Entlastung dar – und die nehmen unsere Mitarbeiter dankend an. Sie haben die Roboter deshalb sehr positiv aufgenommen. Es musste auch niemand nur eine Sekunde lang Angst um seinen Arbeitsplatz haben, das stand gar nicht zur Debatte. Ganz im Gegenteil: Wir befinden uns in der glücklichen Lage, dass unsere Produktionskapazität stets sehr ausgelastet ist. Unsere vorhandenen Fachkräfte müssen wir daher so effizient wie möglich einsetzen. Sie zu ersetzen, kann nicht unser Ziel sein. Wir haben ihnen daher ohne Umschweife unser Vorhaben erklärt und sie direkt mit einbezogen.

Darauf kommt es an #1

Klar kommunizieren: Roboter sind keine Jobkiller.

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass Roboter den Menschen ersetzen und Arbeitsplätze zerstören. Tatsächlich setzen die meisten Unternehmen Roboter aber ein, um Mitarbeiter von monotonen Aufgabenbereichen zu entlasten, die Gesamtproduktivität zu erhöhen und Unternehmenswachstum zu ermöglichen. Deshalb werden am Ende nicht selten sogar mehr Mitarbeiter eingestellt. Dieses Ziel auch klar und transparent zu kommunizieren, sollte bei der Einführung von Automatisierungstechnologien an erster Stelle stehen.

Hatte Ihre Belegschaft denn vorher schon mal mit Robotern zu tun oder war das etwas ganz Neues für sie?

Jörg Lang: Im Fertigungsbereich sind das unsere ersten Roboter. Wir haben aber schon vor der Einführung der Roboter einen internen Tag der offenen Tür in unserem Entwicklungsbereich veranstaltet. Da haben wir unseren Mitarbeitern gezeigt, wie wir dort an den Roboter-Anlagen arbeiten. Wenn man Akzeptanz für eine Technologie schaffen will, sind Transparenz und Vertrautheit meiner Meinung nach ganz wichtig.

Auch bei unserem Sommerfest hatten die Roboter-Kollegen schon vor ihrem ersten richtigen Arbeitstag einen großen Auftritt: Dort haben sie Cocktails für das gesamte Team gemixt.

Beides kam super an. Auf Aktionen solcher Art legen wir viel Wert, denn sie wirken der anfänglich vielleicht erst einmal vorhandenen Skepsis entgegen. Der Integrationsprozess einer neuen Technologie hat neben der technischen immer auch eine soziale Komponente, die man bedienen muss.

Darauf kommt es an #2:

Transparenz und Vertrauen schaffen.

Angst vor dem Unbekannten ist nur menschlich und den meisten Menschen gut bekannt. Lernt man das große Unbekannte etwas näher kennen, ist die erste Skepsis oft ganz schnell verflogen. Dieses Prinzip lässt sich wunderbar auf die Integration eines Roboters übertragen. Firmenevents und interne Kommunikationskanäle können als Möglichkeit für die Mitarbeiter genutzt werden, die neuen Roboter-Kollegen bereits vor deren ersten Arbeitstag kennenzulernen.

Wie selbstverständlich akzeptieren die Mitarbeiterinnen bei beyerdynamic die Roboter als ihre neuen Kollegen
Wie selbstverständlich akzeptieren die Mitarbeiterinnen bei beyerdynamic die Roboter als ihre neuen Kollegen

Sie haben den beiden Robotern in Ihrer Fertigung ja sogar eigene Namen gegeben. Wie kam es dazu?

Jörg Lang: Wir haben eine große Prüfmaschine in der Fertigung, die wurde bei uns von Anfang an einfach nur „die Emma“ genannt. So kam uns die Idee, auch den Robotern menschliche Namen zu geben. Jetzt heißen sie nicht „Handling-Roboter“ und „Sprüh-Roboter“, sondern „Jonathan“ und „Fritzchen“. Das klingt doch viel eingängiger – und es hat sich sehr schnell durchgesetzt: Wenn jemand diese Namen bei uns anspricht, weiß jeder sofort, was - oder wer - damit gemeint ist.

Darauf kommt es an #3:

Der Technik die Kälte nehmen.

Ein Roboter ist kein Mensch und braucht auch nicht so behandelt werden. Dennoch: Verleiht man der Technologie etwas Nahbarkeit und Wärme, fällt der Umgang damit gleich viel leichter.

Neue Kollegen müssen ja auch eingearbeitet werden – was können Mensch und Roboter voneinander lernen?

Jörg Lang: Der Roboter kann vom Menschen nicht nur lernen, er muss sogar. Unsere Roboteranlage beispielsweise war schon vor Einführung in die Produktion in unserem Entwicklungsbereich aufgebaut. Wir haben dort immer wieder Testläufe mit der Belegschaft aus der Produktion gemacht. Die Mitarbeiter haben ihre Erfahrung im Beschichtungsprozess in die Entwicklung der Anlage eingebracht – nur deshalb sind die Roboter jetzt in der Lage, diesen Arbeitsschritt zu übernehmen und die Mitarbeiter zu entlasten.

Auf der anderen Seite haben sich auch unsere Mitarbeiter weiterentwickelt: Dank der neu erworbenen Kenntnisse im Umgang mit kollaborierenden Robotern sind sie nun nicht mehr nur Hilfskräfte, sondern Maschinenoperatoren. Das bietet ihnen auch persönlich ganz neue Perspektiven.

Darauf kommt es an #4:

Die Mitarbeiter in den Automatisierungsprozess einbinden.

Faustregel: Was ein menschlicher Arm kann, kann auch ein Leichtbauroboter. Die dafür notwendigen Bewegungen muss man ihm jedoch erst beibringen. Und wer könnte das besser als ein im entsprechenden Arbeitsablauf geübter und erfahrener Mitarbeiter? Diese Überlegung mit einzubeziehen, ist nicht nur technisch hilfreich, sondern vermittelt auch Wertschätzung gegenüber den Angestellten.

Gab es dann überhaupt noch Skepsis oder Ängste?

Jörg Lang: Als die Anlage dann tatsächlich in die Produktion eingebunden war, kamen schon Leute aus anderen Abteilungen vorbei, waren neugierig und wollten sich ein Bild davon machen. Die Mitarbeiter, die mit den Robotern arbeiten, hatten aber bereits eine sehr positive Einstellung und haben die auch weiter im Unternehmen verbreitet. Das war schon die halbe Miete.

Darauf kommt es an #5:

Multiplikator-Effekte nutzen.

Menschen reden gerne von Dingen, die sie mögen. Mitarbeiter, die gerne mit Robotern arbeiten, geben diese Einstellung auch weiter. Nach innen verankern sie ihre eigene Überzeugung im gesamten Unternehmen. Nach außen hin sprechen sie gern über ihren Job und positionieren ihr Unternehmen als zukunftsgerichtet und fortschrittlich.

Eine besondere Attraktion des beyerdynamic-Sommerfests: Cocktail-mixende Leichtbauroboter
Eine besondere Attraktion des beyerdynamic-Sommerfests: Cocktail-mixende Leichtbauroboter

Man hört oft, dass Unternehmen mit Robotern dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel entgegenwirken. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Jörg Lang: Das ist tatsächlich so. Uns steht nur eine begrenzte Menge an menschlicher Arbeitskraft zur Verfügung und die Roboter helfen uns dabei, unser Fachpersonal so effizient wie möglich einzusetzen. Daher übernehmen die Roboter monotone Aufgaben.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, den man vielleicht nicht sofort auf dem Schirm hat: In meinem Bereich, der Produktionsentwicklung, haben wir immer 2-3 Studenten im Betrieb, entweder als Praktikanten oder für Techniker- und Diplomarbeiten. Dass wir hochmoderne Technologien einsetzen, und da sind die Roboter nur ein Beispiel, macht uns als Arbeitgeber sehr interessant für junge Menschen. Im Recruiting lässt uns das als mittelständischen Betrieb gegenüber der Großindustrie punkten.

Darauf kommt es an #6:

Den Roboter zum HR-Faktor machen.

Top-Talente können sich ihren Arbeitgeber heute beinahe aussuchen. Klar im Vorteil sind Unternehmen, die ein modernes Arbeitsumfeld bieten können. Wer Roboter einsetzt, sollte sie deshalb nicht zum Geheimnis machen, sondern sie proaktiv kommunizieren.

Das hört sich nach einer tollen Erfolgsgeschichte an. Gab es auch Herausforderungen oder Probleme?

Jörg Lang: Für uns war es wichtig, dass am Ende nicht die Roboterzelle den Takt vorgibt, sondern die Maschine ganz klar vom Menschen gesteuert wird. Dieser Herausforderung bei der Neugestaltung des Prozesses waren wir uns aber von Anfang an bewusst und wir konnten das auch entsprechend umsetzen.

Darauf kommt es an #7:

Technik sozial denken.

Die Technologie in einem Unternehmen ist kein isolierter Bereich. Wie sie eingesetzt wird, hat direkten Einfluss auf Arbeitsabläufe und Stimmung der Mitarbeiter. Wer das von Anfang an mitdenkt, kann mit Hilfe von Technik gezielt die Mitarbeitermotivation steigern.

Was sind Ihre weiteren Pläne mit den Robotern?

Jörg Lang: Wir arbeiten gerade an einer robotergestützten Entnahmevorrichtung. Damit steigen wir dann richtig in den kollaborativen Part der Technologie ein. Unsere derzeitigen Roboter arbeiten teilweise noch umhaust. Wir haben sehr viele Manufaktur-Arbeitsplätze, wo unsere Mitarbeiter ein komplettes Produkt von Anfang bis Ende fertigen. Da wollen wir ansetzen und auch diesen Mitarbeitern die Unterstützung durch kollaborierende Roboter bieten und ihnen monotone Aufgaben abnehmen.

Gibt es Bedenken, dass der Schutzzaun bald wegfällt?

Jörg Lang: Überhaupt nicht – schließlich sind die Roboter von Universal Robots genau dafür ausgelegt.

Herr Lang, vielen Dank für dieses interessante Gespräch!

Petra Einertshofer

Als Head of Marketing Western Europe verantwortet Petra Einertshofer seit 2017 die Leitung und Koordination sämtlicher Kommunikationsmaßnahmen im On- und Offlinebereich bei Universal Robots für die DACH-Region. Unternehmen die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und Potenziale von Cobots auf kreative und innovative Weise näher zu bringen, ist ihr ein besonderes Anliegen. Mit über 25 Jahren (internationaler) Erfahrung in den Bereichen Brand und Marketing Communication kennt sie die Besonderheiten der Branche und ist ein waschechter Industrie-Kommunikationsprofi.

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