So gewinnen KMUs junge Fachkräfte für sich

Mehr Ausbildung bitte! KMU haben erhebliche Schwierigkeiten, junge Nachwuchskräfte für die Industrie zu gewinnen. Doch woran liegt das? Im Interview mit Stefan Grötzschel vom VDMA erfahren Sie, was KMU konkret leisten sollten, um die Zukunft der Industrie dank qualifizierter junger Fachkräfte zu sichern.

Junge Fachräfte für KMU gewinnen| Universal Robots
Junge Fachräfte für KMU gewinnen| Universal Robots

Immer weniger junge Menschen interessieren sich für technische Berufe. Doch woran liegt das? Was müssen kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) konkret leisten, um das Interesse qualifizierter junger Fachkräfte zu wecken? Stefan Grötzschel, Referent für Bildungspolitik beim Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA), bietet Unterstützung.

Mit Aktivitäten und Projekten rund um Nachwuchswerbung, Schule, Ausbildung, Studium und Weiterbildung sowie als Brücke zur Bildungspolitik, unterstützt der VDMA Unternehmen dabei, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und die Ausbildungsqualität zu sichern. Im Interview gibt Stefan Grötzschel wertvolle Tipps, worauf es für KMUs jetzt und in Zukunft ankommt.

Herr Grötzschel, wie tickt die heutige Jugend?

Stefan Grötzschel: Zunächst einmal sollte man nicht eine ganze Generation über einen Kamm scheren, wenn es um Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur junger Leute geht. Für den Bereich der Industrie lässt sich aber feststellen, dass die junge Generation kaum mehr Interesse hat, an Dingen zu schrauben oder etwas zu bauen. Vieles läuft digital, schon in der Kindheit. Handwerkliche Tätigkeiten beschränken sich heute oft auf die Bedienung von Apps. Es ist eine Ausnahme, dass junge Menschen gerne an ihrem Fahrrad oder Moped schrauben.

Hinzu kommt das Problem der Wegwerf-Gesellschaft: Geht etwas kaputt, wird es entsorgt. Diese Lebenseinstellungen sind bei Praktikant*innen und Azubis deutlich erkennbar: Sie bringen nur selten handwerkliche Fähigkeiten mit, weil sie mitunter noch nie Metall oder ein Werkzeug in der Hand hatten. Allerdings bringt die digitale Affinität auch Vorteile. Die Berührungsängste für KI oder lernende Maschinen haben abgenommen.

Was bedeuten diese Veränderungen?

Stefan Grötzschel: Immer mehr junge Menschen möchten studieren. Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt, während KMUs junge Fachkräfte fehlen. Deshalb legen wir unseren Fokus auf die Ausbildung. Hier steigt der Druck weiter. Wir müssen einen gesunden Mix zwischen Akademikern und Facharbeitern finden, so wie es im Maschinen- oder Anlagenbau bereits der Fall ist: Dank eines ausgeglichenen Zusammenspiels beider Gruppen war die deutsche Industrie einst zum Exportweltmeister aufgestiegen. Das wäre ohne Facharbeiter*innen nicht machbar gewesen.

Ein Problem heute ist, dass Eltern häufig zum Studieren ermutigen, auch wenn der Nachwuchs in einer Ausbildung besser aufgehoben und dort sogar glücklicher wäre. Wir beim VDMA wollen mehr junge Leute darauf aufmerksam machen, dass es interessante Ausbildungsberufe und großartige Arbeitgeber gibt.

Was müssen KMUs tun, um Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen?

Stefan Grötzschel: Das Thema Ausbildung muss regional angepackt werden. KMUs sollten deshalb in ihrer Region eine Strahlkraft entwickeln. Angehende Azubis leben oft noch zuhause und profitieren von dieser Nähe. Unternehmen sollten deshalb an ihrer Bekanntheit arbeiten und sich als attraktive Arbeitgeber positionieren. Argumente wie kreative Teamarbeit, zukunftsorientierte, moderne Arbeitsplätze oder Klimawandel haben Gewicht. KMUs sollten ihre Benefits kennen und damit hausieren gehen. Die Message muss lauten: Bei uns kannst du einen tollen Job unter fairen Bedingungen erlernen, mit einem anständigen Gehalt rechnen, in einem großartigen Team arbeiten und Spaß an der Tätigkeit haben.

Ein weiterer Pluspunkt sind Kooperationen: Industrieunternehmen sollten mit der Werbung um Nachwuchs schon in deren Kindergarten- oder Grundschulalter beginnen und so frühzeitig auf sich aufmerksam machen. Oftmals lassen sich dann pädagogisch wertvolle Programme wie Technikprojekte gemeinsam mit Bildungseinrichtungen realisieren. Diese Maßnahmen müssen dann über den ganzen Bildungsweg weiterverfolgt werden, denn meistens sind Bildungseinrichtungen gar nicht imstande, solche spannenden (Technik-)Aktionen allein auf die Beine zu stellen. KMUs sollten diese Chance also nutzen und Unterstützung anbieten, um selbst zu profitieren.

Wichtig ist auch das Praktikum. Hier entstehen die besten Kontaktpunkte zwischen jungen Menschen und Unternehmen. Wir sollten jungen Jobanwärtern die Vorurteile nehmen, dass es sich in der Industrie um gefährliche, kalte oder dunkle Berufe handelt, bei denen man allein tätig ist oder sich ständig mit Öl beschmiert. In einem Praktikum wird dem Nachwuchs schnell klar, ob der Job interessant ist.

Haben Sie Tipps, wie Nachwuchswerbung in Zeiten von Kontaktbeschränkungen funktionieren kann?

Stefan Grötzschel: Das Praktikum gestaltet sich derzeit natürlich etwas schwierig. Aber es gibt mittlerweile eine breite Palette an virtuellen Alternativen, ein digitaler Klassenbesuch beispielsweise: Dort erzählen Azubis vor Schülern, weshalb sie gerne Mechatroniker*in sind und können Fragen der Schüler*innen beantworten. Auch für Lehrkräfte ist das eine tolle Möglichkeit und ein attraktives Angebot, um den Unterricht abwechslungsreicher zu gestalten – insbesondere jetzt, in Zeiten des Homeschooling.

Auch Live-Einblicke oder virtuelle Rundgänge im Unternehmen, mit Insta- oder YouTube-Live etwa, bieten sich an. Solche Eindrücke lassen sich ideal über Social Media verbreiten und auf YouTube hochladen. Hat man einen guten Draht zur Bildungseinrichtung aufgebaut, kann man solche Aktionen im Idealfall als festen Bestandteil des Lehrplans etablieren. Zudem werden virtuelle Karrieremessen immer populärer. Hier bieten sich erfolgsversprechende Möglichkeiten für KMUs an, um in den Kontakt mit potenziellen jungen Fachkräften zu treten.

Gegenpol zur Akademisierung: KMUs müssen Ausbildung populärer machen
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Was sollten KMUs über den Einsatz von Social Media wissen?

Stefan Grötzschel: Sie sollten keine Angst vor der Nutzung haben. Man sollte Social Media wie einen kleinen Handwerksladen sehen, quasi wie eine Parallelwelt der eigenen Website, in der man seine digitale Visitenkarte erstellt. Dabei sollten KMUs die Erwartungen an sich selbst nicht überdrehen, sondern sich so darstellen, wie sie sich sehen - klein anfangen und jemanden damit beauftragen, der sich mit dem Thema auskennt und Spaß daran hat, z.B. die eigenen Azubis.

Kann Robotik als Attraktivitätsfaktor für einen Arbeitgeber verstanden werden?

Stefan Grötzschel: Auf jeden Fall. Das Thema Robotik ist für junge Menschen immer super attraktiv und steht für Modernität. Der Science-Fiction-Charakter zieht bei der Jugend ungemein.

Sollte Robotik in die (Aus-)Bildung integriert werden?

Stefan Grötzschel: Junge Menschen sollten so früh wie möglich mit Robotik in Berührung kommen, am besten schon auf ihrem Bildungsweg. Wir sind immer daran interessiert, dass die Berufsschulen ihren Schützlingen einen möglichst praxisnahen Unterricht vermitteln und somit den Zugang zur Industrie erleichtern. Mithilfe der Robotik kann jungen Menschen Wissen zur Automatisierung oder Programmierung vermittelt werden.

Herr Grötzschel, vielen Dank für das Gespräch.

Andrea Alboni

Andrea Alboni ist General Manager Western Europe bei Universal Robots. Mit Leidenschaft und Know-how verantwortet er das Geschäft in den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz. Die hohe KMU-Dichte im DACH-Raum bietet eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten für die flexiblen, kostengünstigen Cobots. Andrea Alboni bringt seine über zehnjährige Sales-Expertise ein, um gemeinsam mit Universal Robots die Entwicklung und den Einsatz kollaborativer Robotik sowie das Wachstum am Markt weiter voranzutreiben.

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