Forschungsprojekt „KoPro“ treibt kollaborative Montageprozesse voran

Wenn es um komplexe Bauteile geht, stecken produzierende Unternehmen zwischen Manufaktur und Fließbandproduktion fest. Denn: Bei variantenreichen Produkten mit kleinen Losgrößen muss in der Fertigung viel von Hand eingestellt werden. Ein Forschungsprojekt lotet aus, wie die Montage stärker automatisiert werden kann.

Forschungsprojekt „KoPro“ | Universal Robots
Forschungsprojekt „KoPro“ | Universal Robots

Komplexe Bauteile am Fließband produzieren? Für Unternehmen geht das oft mit mehreren Herausforderungen einher: Eine große Produktvarianz, kleine Losgrößen und wechselnde Montagesequenzen. Die Folge: Der Planungsaufwand und die Kosten steigen. Anders gesagt: Wenn es um komplexe, variantenreiche Bauteile geht, steckt die industrielle Fertigung auf halbem Wege zwischen Manufaktur und Fließband fest.

Genau hier setzt das aktuelle Forschungsprojekt „KoPro“** an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) an. Das Team um Prof. Tobias Kaupp und Prof. Jan Schmitt lotet aus, wie derartige Montageprozesse in Zukunft (teil-)automatisiert werden können. Ziel des bis 2025 laufenden Projekts ist es, komplexe Bauteile mit weniger Handarbeit zu fertigen. Die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) soll hier einen entscheidenden Teil dazu beitragen.

Hinter „KoPro“ stehen neben Prof. Tobias Kaupp und Prof. Jan Schmitt auch zwei Promovierende und eine Reihe an Master- und Bachelor-Studierenden. Mit an Bord sind außerdem verschiedene Unternehmenspartner, zu denen Fresenius Medical Care, Wittenstein SE, Uhlmann und Zacher, DE software & control und auch Universal Robots gehören.

Wir hatten die Möglichkeit, mit Prof. Dr. Tobias Kaupp zu sprechen. Im Interview gibt er einen Einblick in die laufende Projektarbeit und berichtet von ersten Ergebnissen. Kaupp ist seit vier Jahren Professor für Digitale Produktion & Robotik in Schweinfurt und war zuvor 15 Jahre lang im Robotiksektor in Australien tätig.

Prof. Dr. Kaupp, Ihr Projekt zielt darauf ab, Prozessketten in der Montage zu optimieren. Wo genau setzen Sie an?

Prof. Dr. Tobias Kaupp: In der industriellen Fertigung sehen wir häufig Montagesequenzen, bei denen ein Teil der Mensch und ein Teil der Roboter macht. Die Herausforderung: Jede Sequenz muss manuell eingestellt werden. Wenn Sie mit kleinen Losgrößen arbeiten, geht der Prozess also immer wieder von vorne los. Das ist der Ausgangspunkt. Wir schauen uns jetzt an, ob wir Montagesequenzen automatisch generieren können. Ziel ist es, den Planungsaufwand in hybriden Montageteams durch geeignete Algorithmik zu reduzieren.

Der Trend geht weg von Produkten von der Stange und hin zu einer immer variantenreicheren Produktpalette.

Prof. Dr. Tobias Kaupp, Professor für Digitale Produktion & Robotik

Dass die Linienproduktion bei kleinen Losgrößen an ihre Grenzen stößt …

Kaupp: … ist ein Problem, das uns schon lange begleitet – und das vielen Unternehmen immer stärker unter den Nägeln brennt. Wir erleben, dass der Trend weg geht von Produkten „von der Stange“ und hin zu einer immer variantenreicheren Produktpalette.

Einer unserer Unternehmenspartner bei „KoPro“ ist beispielsweise die Firma Uhlmann und Zacher, die elektronische Schließsysteme herstellt. Das Unternehmen hat einen Produktkatalog von mehreren tausend Seiten, also ein enormer Variantenreichtum. Die Folge: Die Produktion zu planen, ist zeitaufwändig und erfordert Spezialwissen. Hier setzen wir an und schauen: Was kann der Mensch, was kann der Roboter, was kann ein Assistenzsystem – und wie interagieren diese drei Komponenten in Echtzeit?

CAD-Daten erzählen mitunter nur die halbe Geschichte

Über welche Messgrößen analysieren Sie die Mensch-Roboter-Kollaboration?

Kaupp: Wir arbeiten mit Produkt- und Prozessdaten. Also zum Beispiel mit CAD-Zeichnungen, in denen die Abmessungen eines Produkts hinterlegt sind. Und mit Daten, aus denen hervorgeht, wie Komponenten gefügt werden und welche Arbeitsabläufe der Mensch manuell durchführt. All das füttern wir in einen Algorithmus ein, der ein Assistenzsystem steuert – und stellen hier aber häufig fest, dass die Daten unvollständig sind: Bestimmte Informationen sind nicht im CAD hinterlegt, sondern befinden sich im Kopf der Konstrukteure. Wir sprechen hier vom Erfahrungsschatz des Unternehmens, der oft riesig ist, und den es zu erfassen gilt. Wir brauchen also die entsprechenden Domänenexperten, um die Daten anzureichern.

Perfektes Zusammenspiel: An der THWS arbeiten Mensch, Roboter und Assistenzsysteme Hand in (Greif-) Hand.

An welchen Stellschrauben drehen Sie, um die Mensch-Roboter-Kollaboration weiterzuentwickeln?

Kaupp: Es geht darum, eine Interaktion zwischen Mensch, Roboter und Assistenzsystem zu ermöglichen. Und die Stellschrauben, an denen wir im Rahmen von „KoPro“ forschen, sind die Umgebungswahrnehmung sowie die Frage, wie Mensch und Roboter miteinander kommunizieren.

Es zeigt sich beispielsweise, dass der Mensch gut in der Haptik ist. Der Roboter hingegen hat seine Vorzüge, wenn es darum geht, Lasten zu heben – und er ist präziser. Die Rolle des Assistenzsystems ist es, Anweisungen zu geben oder etwa Lichtpunkte für Bohrungen oder Ähnliches zu setzen. Daraus können wir dann adaptive Roboterprogramme und Arbeitsanweisungen ableiten.

Master-Studenten implementieren UR-Treiber für ROS

Wie konkret könnte das auf der Werkbank von morgen aussehen?

Kaupp: Nehmen wir die Umgebungswahrnehmung: Hier geht es darum, den Arbeitsplatz mit Sensorik auszustatten, um erfassen zu können, was der Mensch macht. Gibt es eine Anomalie, hat er vielleicht einen Schritt vergessen? Wir brauchen Systeme, die so smart sind, dass sie sich in Echtzeit auf den jeweiligen Menschen einstellen können. Denn: Der Faktor Mensch ist unvorhersehbar, jeder Mensch ist anders. Manche arbeiten schneller, aber oft ist die Performanz auch abhängig von der individuellen Tagesform – oder vom Zeitpunkt innerhalb der Schicht.

Wenn wir bidirektionale Kommunikation erforschen, schauen wir auf die Steuerung: Was gibt es hier für Modalitäten? Wird über Sprache oder Gesten kommuniziert? Oder kommt vielleicht Augmented Reality zum Einsatz?

Forschungsprojekt „KoPro“ treibt kollaborative Montageprozesse voran
Forschungsprojekt „KoPro“ treibt kollaborative Montageprozesse voran

Das wäre ein neues Automatisierungsparadigma – und damit ein echter Hebel.

Prof. Dr. Tobias Kaupp, Professor für Digitale Produktion & Robotik

Wie sieht Ihr Projektalltag aus?

Kaupp: Mein Kollege Prof. Jan Schmitt und ich haben zwei Doktoranden und vier Master-Studierende an Bord, dazu eine Reihe an Bachelor-Studierenden – und alle sind hochmotiviert bei der Sache. Das liegt auch an den hochkarätigen Unternehmenspartnern, die im Projekt mit dabei sind: Fresenius Medical Care etwa stellt jede zweite Dialysemaschine der Welt her. Hier können wir mit unserer Forschung dazu beitragen, dass die Bilanzkammer – also das Herzstück der Dialysemaschine – effizienter gefertigt werden kann. Das wäre ein neues Automatisierungsparadigma – und damit ein echter Hebel.

Mit Blick auf die Cobots von Universal Robots kann ich sagen, dass ich immer wieder beeindruckt bin, wie intuitiv sie sich bedienen lassen: Schon Studierende im ersten Semester haben nach einer halben Stunde raus, wie „Pick and Place“ mithilfe des Roboterarms funktioniert. Unsere Master-Studierenden haben vor Kurzem einen UR-Treiber für ROS implementiert, den wir demnächst Open Source zur Verfügung stellen. Allein davon wird die Robotik-Community auf jeden Fall profitieren. Und gleichzeitig gilt: Wir haben gerade einmal ein Drittel der Projektlaufzeit hinter uns – es wird also noch einiges kommen.

**Das Projekt wird gefördert durch die Bayerische Forschungsstiftung (AZ-1512-21).

Andrea Alboni

Andrea Alboni ist General Manager Western Europe bei Universal Robots. Mit Leidenschaft und Know-how verantwortet er das Geschäft in den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz. Die hohe KMU-Dichte im DACH-Raum bietet eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten für die flexiblen, kostengünstigen Cobots. Andrea Alboni bringt seine über zehnjährige Sales-Expertise ein, um gemeinsam mit Universal Robots die Entwicklung und den Einsatz kollaborativer Robotik sowie das Wachstum am Markt weiter voranzutreiben.

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