Die Reifeprüfung: Wie Cobots Qualität testen und sichern

In der automatisierten Fertigung ist eine schnelle und präzise Qualitätskontrolle so wichtig wie nie zuvor. Nur so hebt man sich im Wettbewerb hervor. Es geht um maximale Aufmerksamkeit und Objektivität, selbst bei hohen Stückzahlen - deshalb eignen sich Cobots ideal dafür.

Qualitätsprüfung mit Cobots | Universal Robots
Qualitätsprüfung mit Cobots | Universal Robots

Die Chancen stehen gut, dass man schon mal, ohne es zu wissen, auf einem Produkt der Lear Corporation Platz genommen hat. Das Unternehmen ist einer der wichtigsten Automobilzulieferer weltweit. Sein Fokus liegt auf der Innenausstattung und vor allem den Sitzen. Zu den Kunden zählen unter anderem VW, Daimler oder General Motors. Ebenso wie das Gefährt, in dem er verbaut ist, ist ein moderner Autositz ein Wunder der Technik. Unter dem Bezug sitzt eine hochkomplexe Konstruktion, die zu gleichen Teilen höchsten Ansprüchen hinsichtlich Sicherheit, Komfort und Leichtbau genügen muss. Hier dürfen sich Unternehmen keine Fehler erlauben, hier dürfen die Mitarbeiter nicht unaufmerksam werden, selbst wenn der tausendste Sitz am Band vorbeirauscht.

Die Präzision der Robotik

Es ist also kein Wunder, dass sich Lear für den Einsatz eines kollaborierenden Roboters (Cobots) entschieden hat, um zu prüfen, dass auch ja keine Schrauben am Sitz locker sind. Einmal angeleitet bewegt sich hier ein UR5 Cobot mit beinahe hypnotischer Präzision. Das Blitzlicht einer am Arm verbauten Kamera leuchtet auf und überprüft, ob überhaupt alle Schrauben vorhanden sind, bevor der integrierte Schraubendreher sie dann festsetzt. Der Roboterarm ist also zugleich Arbeiter als auch für die Endabnahme zuständig.

Cobots in Aktion: Lear prüft seine Autositze mit unserem UR5 auf Herz und Nieren.
Cobots in Aktion: Lear prüft seine Autositze mit unserem UR5 auf Herz und Nieren.

In den vergangenen Jahren wurden sämtliche Aspekte der Fertigung immer weiter automatisiert. Um mit der gesteigerten Produktivität mithalten zu können, müssen sich vor allem die Kontrollen an die neuen Umstände anpassen. Denn das menschliche Auge ist aufgrund von zu hohen Genauigkeits- und Geschwindigkeitsanforderungen in der Qualitätsprüfung überfordert. Ausgerechnet am Ende der Fertigung entsteht so schnell ein Flaschenhals. Oder noch schlimmer: Mängel werden nicht erkannt. Das wiederum führt zu Folgekosten durch Fehlproduktionen.

Lässt man den Blick durch die Produktionsstraße bei Lear schweifen, könnte man den Cobot fast übersehen. Stoisch versieht er seine Pflicht, Schulter an Schulter neben den menschlichen Kollegen. Große Industrieroboter erfordern oft einen Umbau der Werkshalle und Fertigungsstraßen. Der UR5 ist jedoch nicht nur kompakt, sondern auch für die direkte Zusammenarbeit mit Menschen ausgelegt. Auf einen sperrigen Sicherheitskäfig konnte Lear also verzichten. Stattdessen fügt sich der Cobot reibungslos in die bestehende Abläufe ein. Agil und unermüdlich erfüllt er seine Aufgabe. Am Ende eines Arbeitstages hat er knapp 8.500 Schraubvorgänge durchgeführt.

Natürlich gibt es in der Fertigung Bereiche, in denen Menschen den Maschinen klar überlegen sind. In der Qualitätskontrolle zeigen sich jedoch ihre Stärken. Durch automatisierte Prüfvorgänge, etwa mit hochentwickelten Bilderkennungsalgorithmen, lassen sich Mängel um bis zu 90 Prozent besser erkennen als bei einer menschlichen Prüfung. Gleichzeitig kann so die Produktivität um bis zu 50 Prozent gesteigert werden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine McKinsey-Studie, die den Einsatz von Cobots ausdrücklich erwähnt. Die Unternehmensberatung kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass etwa acht Prozent aller in Unternehmen anfallenden Kosten Qualität und Gewährleistung betreffen - ein enormes Optimierungspotential.

Automation entlastet die Mitarbeiter

Stefan Nyffenegger, CEO von mequadrat
Stefan Nyffenegger, CEO von mequadrat

Es wird also höchste Zeit für ein Automatisierungsupgrade in der Qualitätskontrolle. Doch nur weil ein Prozess unabdingbar ist, bedeutet das leider nicht, dass er nicht auch repetitiv oder für einen Menschen gar langweilig sein kann. „Typischerweise sind es sehr ermüdende und wenig komplexe Aufgaben mit viel Zeit, die zwischen den tatsächlichen Handlungen verstreicht“, sagt Stefan Nyffenegger, CEO von mequadrat. Das Schweizer Unternehmen ist ein Certified System Integrator (CSI) von Universal Robots und auf die Qualitätssicherung in der Fertigung spezialisiert. „Händische Prozesse, das Zuführen von Prüflingen in eine Anlage eignen sich beispielsweise sehr gut für die Automatisierung“, so Nyffenegger. So würden menschliche Arbeitskräfte entlastet und für qualifiziertere Aufgaben freigesetzt. Typische Branchen, in denen die Nachfrage nach automatisierter Inspektion sehr hoch sind, seien etwa Sensor- oder Medizintechnik.

Die Arten und Weisen wie ein Cobot die Qualität prüft, sind dabei so verschieden wie die Produkte, die eben vom Band rollen. Grundsätzlich lassen sich vier verschiedene Methoden unterscheiden. Entweder belädt der Roboter Testsysteme mit Teilen oder er prüft Komponenten selbst taktil. Im optischen Bereich ist eine Kamera entweder direkt am Roboter angebracht oder sie führt ihn von außerhalb. „Jede Information, die man über diese Kameras auswerten kann, kann an den Roboter weitergegeben werden. Er legt das entsprechende Teil dann an seinem Bestimmungsort ab“, erklärt Stefan Perg, Geschäftsführer des CSI Autforce Visual Systems. „Auch sehr genaue und präzise Ausrichtungen der Teile können gewährleistet werden.“

Die Cobots werden zur Industrie-Boxencrew

Auch in der Automobilindustrie übernehmen Cobots die automatisierte Qualitätskontrolle.
Auch in der Automobilindustrie übernehmen Cobots die automatisierte Qualitätskontrolle.

Der Roboter benutzt aber nicht nur herkömmliche Kameras und prüft deren Bilder. In einem weiteren Anwendungsbeispiel aus der Automobilindustrie trifft eine halbfertige Karosserie auf ein ganzes Team aus gleich vier Cobots. Mit der Koordination einer Formel-1-Boxencrew beginnen die Roboterarme mit ihrer Arbeit. Mittels 3D-Lasersensoren kontrollieren sie die Spalt- und Versatzmaße. Ausbreitung, Höhe oder Position einer Schweißnaht – all die Kriterien, bei denen ein menschlicher Betrachter schon sehr genau hinschauen müsste, erfassen die Cobots in Sekundenschnelle. Vom Kotflügel bis hin zur C-Säule dauert der ganze Prozess nicht einmal eine Minute.

Das japanische Unternehmen Koyo Electronics Industries setzt dagegen das kleinste Modell  der Cobotfamilie, den UR3, ein und gibt ihm einen Stylus an den Arm. Mit dem digitalen Stift ausgestattet testet der Cobot unermüdlich die Reaktionsfähigkeit von Touch-Bildschirmen. Früher musste an der gleiche Stelle am Band noch ein Facharbeiter stehen, dessen einzige Aufgabe es war, den An- und Ausschalter zu drücken. Bereits nach einem Jahr erreichte Koyo Electronics den ROI. Weil der Test durch die Automatisierung auch viel schneller abgeschlossen ist, konnte der Durchlauf erhöht und die Produktivität um mehr als 30 Prozent gesteigert werden. Andere Anwender berichten von ähnlich hohen Zuwachsraten.

Das Beispiel aus Japan zeigt zudem, dass die Cobots durchaus auch in der Lage sind, sehr empfindliche Produkte und Bauteile entsprechend sensibel zu überprüfen. Sie sorgen für Konstanz. Die Bewegungen des Roboters bleiben bei jedem neuen Vorgang genau, der Blick der Kamera bleibt bei jedem neuen Werkstück objektiv. Selbst am Ende einer Schicht und bei hohen Taktzahlen.

Benjamin Völzke

Benjamin Völzke arbeitet seit 2021 als Head of Field Application Engineering Western Europe bei Universal Robots. Der gelernte Automatisierungstechniker ist Spezialist für virtuelle Inbetriebnahme und verantwortet den technischen Pre-Sales Support im Partnernetzwerk der DACH-Region. Darüber hinaus leitet Benjamin Völzke das Technikteam mit Entwicklungsfokus auf innovativen Cobot-Applikationen – für größtmögliche Kundenzufriedenheit. Die virtuelle Welt beschreibt er auch im Privatleben als seine größte Leidenschaft.

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